Geschichte der Dalai Lamas


Im Jahr 1578 war der Mönch Sönam Gyatsho auf Missionsreise und für mehrere Monate Gast am Hofe des Mongolenfürsten Altan Khan. Dort wurde ihm vom Fürsten der Ehrentitel „Dalai Lama“ verliehen. Somit ist der Ursprung in der Mongolei zu suchen. Zu dieser Zeit konkurrierten mehrere lamaistische Schulen um die geistliche Vorherrschaft. Auch der Orden von Sönam Gyatsho. Der neu ernannte Dalai Lama verlieh seinerseits dem Fürsten einen Titel und somit wurde, rein weltlich gesehen, eine Allianz gegründet, die für beide von Nutzen war. Der Dalai Lama bot dem Reich des Fürsten geistlichen Schutz. Der Fürst unterstützte ihn im Kampf um die Vormachtstellung. Vor Sönam Gyatsho gab es bereits zwei Dalai Lama, die erst später als solche anerkannt wurden. Sönam Gyatsho ist deshalb der dritte Dalai Lama.


Im Februar 1642 stürzte der westmongolische Fürst Gushri Khan nach mehreren Jahren Krieg den letzten König Zentraltibets Tsang Tenkyong Wangpo und ernannte sich selbst zum Herrscher. Kushri Khan war der Schutzherr des damaligen 5. Dalai Lama namens Ngawang Lobsang Gyatsho. Am 3. Mai 1642 wurde der Dalai Lama von Fürst Gushri Khan in den Rang der obersten Autorität ganz Tibets eingesetzt. Der Dalai Lama war damit Staatsoberhaupt. Ein sogenannter „Desi“, ein Regent, ähnlich eines heutigen Premierministers, hatte die politische Gewalt inne.


Der Tod des 5. Dalai Lama am 2. April 1682 hatte schwerwiegende Folgen für die tibetische Regierung. Nahezu eine Generation wäre Tibet ohne Staatsoberhaupt gewesen. Denn diese Zeit wäre nötig gewesen, um eine Reinkarnation zu finden, die Ausbildung und Erziehung des Kindes abzuschließen und den 6. Dalai Lama dann volljährig als Oberhaupt einzusetzen. Die Stabilität Tibets wäre in dieser langen Zeit zu angreifbar gewesen. Nicht nur von Außen, sondern auch von Innen. Um dies zu verhindern, griff der 5. Dalai Lama noch auf dem Sterbebett zu einer List, die später allerdings das Vertrauen der mongolischen Verbündeten schwer erschütterte. Er wies den Desi Sanggye Gyatsho an, seinen Tod geheim zu halten, bis der Potala-Palast fertiggestellt sei. Alle wichtigen Geistlichen und Beamten unterstützten den Plan und somit konnte der Tod des 5. Dalai Lama verborgen werden. Die Ausbildung des 6. Dalai Lama fand unter strengster Verheimlichung statt. Nur Wenige kannten seine wahre Identität. Um nach außen den Schein zu wahren, wurden Doubles eingesetzt und Auftritte inszeniert. Man ging sogar so weit, die Robe des Dalai Lama auf den Thron zu setzen. 1695 wurde der Potala-Palast vollendet und ein Jahr später, 1696, wurde der 6. Dalai Lama, Tshangyang Gyatsho, damals 13 Jahre alt, als neues Staatsoberhaupt vorgestellt und das wahre Todesdatum des 5. Dalai Lama bekannt gegeben. Der chinesische Kaiser, der bislang den Dalai Lama und seine Lehren sehr schätzte, war zutiefst verstimmt und entzog dem Dalai Lama daraufhin weitgehendst das Vertrauen.
Dies wurde nie mehr wiederholt. Für die darauf folgenden zwei Jahrhunderte war es Usus, dass in der Zeit der Ausbildung des kommenden Dalai Lama die eingesetzten Desi die Geschäfte des Staates führten.