Chinas Machtanspruch auf Tibet wächst wieder


Durch die Niederlage gegen Japan und die russische Revolution geschwächt, übernahm das Kaiserreich China wieder die Macht in Tibet. Manifestiert wurde dieser Machtanspruch durch den Vertrag von Lhasa, in dem sich China bereit erklärte, geforderte Reparationszahlungen der Briten an Tibet zu übernehmen. In einem Vertrag vom 31. August 1907 beendeten Großbritannien und Russland ihren Streit um Zentralasien. Tibet sollte zum britischen Teil gehören. Die Mongolei und Turkestan zum Russischen.


Trotz des Vetos Großbritanniens und Russlands folgte der Dalai Lama, allerdings erst nach fünf Monaten, einer Einladung Pekings durch die Kaiserinwitwe Cixi. Ende September 1908 traf er in Peking ein und wurde zwar mit allen Ehren, aber nicht als Staatsoberhaupt empfangen. Er verweigerte den Kotau, die Unterwerfungsgeste, und es musste ein Kompromiss gefunden werden. Auf einem Knie und mit der rechten Hand am Boden als Begrüßung fand die Audienz am 14. Oktober dann doch noch statt.


Die Kaiserinwitwe Cixi schrieb in einem Erlass fest, dass der Dalai Lama einen neuen Titel erhalten sollte, der aus Unterordnung und Gehorsam gegenüber dem Kaiserreich bestehen soll. Mit dem Titel sollte ein jährlicher Zuschuss aus dem Schatzamt des Kaisers erfolgen und den Dalai Lama verpflichten, in Tibet für die Einhaltung der chinesischen Gesetze zu sorgen. Der Dalai Lama musste dies annehmen, protestierte allerdings gegen die Klausel, nicht direkt mit dem Kaiser in Kontakt treten zu dürfen.


Der Tod des Kaisers Guangxu am 14. November und der Kaiserinwitwe einen Tag später verhinderten die Verleihung des Titels. Der Dalai Lama sollte im Kloster Kumbum den Titel erhalten. Bevor er die Reise antrat, erfuhr der Dalai Lama von den Plänen, Tibet zur chinesischen Provinz zu erklären und von chinesischen Beamten und Soldaten verwalten zu lassen. Am 04. März 1909 wurde ihm im Kumbum-Kloster der Titel feierlich verliehen. Erst im Dezember 1909 traf der Dalai Lama wieder in Lhasa ein.


Nachdem der Dalai Lama 1904 in die Mongolei floh, kam es zu blutigen Unruhen. Die chinesischen Amban versuchten 1905 die Mönche in Osttibet aus den Klöstern zu vertreiben. 1906 schlachteten die Truppen von General Zhao Erfeng zahlreiche Mönche wie Vieh ab. 1907 besetzte er das südliche Kham und beschlagnahmte ersatzlos Getreide vom Volk. 1908 wurden die Truppen verstärkt und rückten auf Lhasa vor. Proteste wurden nicht nach Peking geleitet. Am 12. Februar 1910 wurde Lhasa gewaltsam besetzt und der Dalai Lama musste fliehen. Am 25. Februar 1910 wurde der Dalai Lama von der chinesischen Regierung seines Amtes enthoben. Der Einspruch der britischen und der russischen Regierung in Peking, die der Dalai Lama um Hilfe bat, fand kein Gehör.


Im Oktober 1911 brach die chinesische Revolution aus und die Soldaten wurden von Lhasa abberufen. Der Dalai Lama kehrte aus dem Exil in Indien zurück und wurde am 12. Juni 1912 feierlich in Lhasa empfangen.